Das Tipp-ex - Problem


Das sogenannte Tipp-ex - Problem betrifft den alten Streit zwischen Entstehung und Endprodukt, Weg und Ziel, Werden und Sein... .
Vielerorts haben wir gelernt, daß der Stiftschwung, der Pinselductus, der Papierabrieb...usw. das Wahre sei, gleichgültig, ob das Angestrebte hinterher haarscharf verfehlt wurde - sofern überhaupt etwas angestrebt wurde außer dem Schwingen des Stiftes, dem Führen des Pinsels und dem Reiben des Papiers...
Was bedeutet das nun für den Comic, der ja voll und ganz Endprodukt ist? Schließlich soll er "gelungen" sein, die Betrachter zum Lachen bringen.

Es gibt sie durchaus, die kleinen Fehler und Ungenauigkeiten, die man gerne läßt, die den Entstehungsprozeß in Erinnerung rufen und dem Bild eine eigene Dynamik verleihen - etwa kleine Tusche-Spritzer, verschiedene Strichdicken oder auch einmal ein sinnloser Krakel am Rand.
Aber was tun bei groben Patzern, die den Sinn verderben, etwa einer mißglückten Augenpartie, einer völlig mißlungenen Hand?
Alles noch einmal zeichnen? Es hat sich schon so oft erwiesen, daß der erste Entwurf meist der lustigste ist. Alle unmittelbar danach erstellten Wiederholungen des gleichen Motivs sind Abklatsch und haben nie denselben, spontanen Strich dieses ersten Entwurfs. Man müßte die Idee wohl einige Zeit liegenlassen.
In solcher Situation soll sie gestattet sein, die gnädige, weiße Flüssigkeit, schnelltrocknend, deckend weiß, sofort übermalbar und jede Fehler-Wiederholung verzeihend. Tipp-ex und seine Nachfolger sind geduldiger als Papier.
Auch die Verwendung von Kleber und Schere ist nicht tabu, um z.B. auf verschiedenen Zetteln befindliche Entwürfe auf einem Blatt zu vereinen.
Denn der Fotokopierer, jenes warme, schnurrende, geduldige Wesen, wird dann zum echten Partner des Künstlers; er macht aus mehrlagigen Tipp-ex - Krusten und verklebten Blättern gestochen scharfe, einheitliche Cartoons. Eigentlich entsteht das Endprodukt, der Cartoon, erst beim fotokopieren.

Dies sind natürlich Methoden, die dem eigentlichen Ansinnen spontanen Zeichnens extrem zuwiderlaufen, auch, wenn sie nur dazu dienen, den ersten, spontanen Strich zu erhalten. Aber wir hoffen, daß das Korrekturbedürfnis bei steigender Zeichen-Erfahrung abnehmen wird.


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